Änderung der Abseitsregel - Anpassung an neue FIFA/IFAB-Regelung

 Änderung der Abseitsregel - Anpassung an neue FIFA/IFAB-Regelung  - #1


02.09.2022 15:25


Hagi01
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Hagi01
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Wie am ersten Spieltag schon diskutiert, stimmt die neue Abseitsregel, die vom IFAB im Zirkular Nr. 26 vorgegeben wurde, nicht mit den Auslegungsänderungen seitens der UEFA überein. Der DFB übernimmt nun die IFAB-Vorgabe samt ihrer Parameter. Dies wird in der neuen Schiedsrichterzeitung näher ausgeführt (S. 24 ff.).

Worum geht es?
Es geht um Spielsituationen, in denen der Verteidiger den Ball zu einem vorher abseitsstehenden Angreifer verlängert. Eine neue Spielsituation entsteht, wenn ein Verteidiger den Ball absichtlich bzw. bewusst ("deliberately") spielt (und es sich um keine Torverhinderungsaktion handelt). Das IFAB hat nun neu definiert, wie eine solche absichtliche Aktion ("deliberate play") aussieht.

Wie ist"deliberate play" nun definiert?
Absichtliches Spielen liegt nach der neuen Regelung vor, wenn ein Spieler die Ballkontrolle und damit die Möglichkeit hat oder hätte,
- den Ball zu einem Mitspieler zu spielen
- Ballbesitz zu erlangen
- den Ball zu klären (z.B. per Kopf oder mit dem Fuß)

Dabei steht einer Bewertung als "deliberate play" nicht entgegen, wenn diese Handlungen durch einen Spieler in Ballkontrolle ungenau oder erfolglos sind ("bad play").

Nach welchen Parametern bestimmt sich die Möglichkeit zur Ballkontrolle?
Der Schiedsrichter muss dies anhand verschiedener Fragen beurteilen, die die DFB-Schiedsrichterzeitung (Alex Feuerherdt, Rainer Werthmann, Jan-Hendrik Salver) wie folgt benennen:
• Kommt der Ball aus einer gewissen Entfernung auf den Spieler zu oder aus kurzer Distanz?
• Hat der Spieler klare Sicht auf den Ball, oder ist er für ihn teilweise verdeckt?
• Kommt der Ball schnell auf ihn zu oder mit moderater Geschwindigkeit?
• Erwartet der Spieler den Ball, oder kommt er für ihn überraschend?
• Hat der Spieler Zeit, seine Körperbewegungen zu koordinieren? Oder handelt es sich um instinktive, eher unkontrollierte Streck-, Sprung- oder sonstige Bewegung mit begrenzter Ballberührung/-kontrolle?
• Wird der Ball am Boden gespielt oder in der Luft, wo er zumeist schwieriger zu kontrollieren ist?

Gibt es hierfür Beispiels- bzw. sog. Referenzszenen?
Die DFB-Schiedsrichterzeitung nennt hier vier Referenzszenen (S. 28 f.):

- Bochum - Bayern 2021/22, 22. Spieltag; Link zumVideo
Diese Szene war nach der alten Abseitsregel ein reguläres Tor. Nach der neuen Auslegung ist das Tor dagegen irregulär, da Soares eine instinktive, unkoordninierte Bewegung zum Ball, der aus kurzer Entfernung kommt und sich in der Luft befindet, macht. Daher liegt kein deliberate play vor.

- Dortmund - Paderborn, DFB-Pokal 2021/22, Achtelfinale; Link zum Video
Diese Szene war nach der alten Regelung kein strafbares Abseits. Unter Zugrundelegung der neuen Parameter müsste das Tor dagegen wegen Abseits' aberkannt werden. Zwar kommt der Ball aus größerer Distanz, allerdings ist das lange Bein des Verteidigers keine koordnierte Aktion, sondern eine instinktive und nicht kontrollierte Streckbewegung, zumal sich der Ball auch hier in der Luft befindet. Damit hätte Ingelsson keine Möglichkeit, den Ball zu kontrollieren, also zum Mitspieler zu spielen, anzunehmen oder zu klären. Die Autoren fhren hier auch noch an, dass er den Ball auch nur minimal berührt, dabei ist mir aber nicht so ganz klar, ob dieser Aspekt zu berücksichtigen ist oder nicht.

- Schweiz - Belgien (Nations League 2018/19), Link zum Video (erstes Tor)
Der Verteidiger (Elvedi) hat hier Kontrolle über SItuation, Raum und seine Körperbewegungen. Er hat genügend Zeit, die Verarbeitung des flachen Balles, der für ihn nicht überraschend kommt, zu koordnieren. Eine kontrollierte Ballannahme wäre für ihn problemlos möglich, er schafft es aufgrund eigenen situativen Versagens jedoch nicht. Damit ist das absichtliches Spielen und folglich eine neue Spielsituation. Der Treffer zählt weiterhin.

- Neapel - Barcelona (EL 2021/22; KO-Runden-Playoff)
ein frei verfügbares Video konnte ich leider nicht finden, da die Zusammenfassungen in dieser Szene (beim 0:2) zu spät ansetzen. Zitat der Szenenbeschreibung:
Bei einem weiten Abschlag von Barcelonas Torwart Marc-André ter Stegen (Foto 8a, gelber Kreis) befindet sich Ferran Torres (roter Kreis) knapp im Abseits. Auf Höhe der Mittellinie springt Neapels Verteidiger Amir Rrahmani zum Kopfball (Foto 8b, gelber Kreis), dabei befördert er den Ball zu Ferran Torres (grüner Kreis). Dieser bedient seinen Mitspieler Frenkie de Jong, der den Ball ins Tor des SSC Neapel schießt.

Hier ist kontrolliertes Spielen und damit eine neue Spielsituation anzunehmen, da der Verteidiger jederzeit freie Sicht auf den Ball und ausreichend Zeit hat, den seine Bewegungen zu koordnieren, zumal kein Gegner in der Nähe ist. Dass der Ball zum Gegner geht, ist einem technischen Fehler geschuldet, liegt also nicht an der fehlenden Kontrollmöglichkeit. Das Tor ist also weiterhin regulär.



Ceterum censeo bellum esse finiendum ☮️


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